ARCoptix: Neuenburger Tüftler erschaffen einzigartige Apparate

ARCoptix: Neuenburger Tüftler erschaffen einzigartige Apparate

ARCoptix Success Story 2015

Bereits die erste Neuentwicklung aus dem Hause ARCoptix verkaufte sich wie von selbst. Dann aber folgten Krisen, welche das Hightech-Unternehmen auch dank eines zinslosen Darlehens der Stiftung STI meistern konnte. Heute, zehn Jahre nach der Firmengründung, sind die Neuenburger Tüftler die ersten, die das Fördergeld vollständig an die STI zurückbezahlt haben und sich erfolgreich am Markt durchsetzen konnten. Das Geheimnis des Erfolgs: Das Unternehmen versteht es, Geräte zu bauen, an denen andere weltweit scheitern.

Laptops, Papiere, elektronische Bauteile, Kabel und Bonbon-Papierchen liegen auf Schreibtischen und Arbeitsplatten über- und ineinander verknäult wie abstrakte Kunst. Auf so manchen Oberflächen hat sich eine Schicht Staub niedergelassen und mehr davon tanzt in der Luft herum. «Kreatives Chaos», könnte man es nennen. Die Mitarbeiter von ARCoptix konzentrieren sich auf das einzig Wichtige: die Weiterentwicklung ihrer Hightech-Geräte.

Was für ein Kontrast nur wenige Meter weiter: im Herz der Firma. Im Produktionsbereich, wo ein Teil der Instrumente zusammengebaut wird, von deren Entwicklung und Verkauf die Firma lebt. Hier ist es peinlich sauber. Der Bereich ist mit Plastikfolie hermetisch abgeschlossen, eine Lüftung über dem Eingang sorgt dafür, dass auch beim hinein und hinaus gehen kein Staub durchkommt. Dies ist nötig: Die optischen Instrumente – von aussen unscheinbare Kästchen – bergen in ihrem Innern empfindliche Elemente aus Flüssigkristallen. Gelangt ein einziges Staubkorn hinein, leiden Zuverlässigkeit und Präzision. «Das kann man sich nicht leisten, wenn man solche Geräte verkaufen will», sagt Gerben Boer, CEO des von der Stiftung STI geförderten Unternehmens.

Bereits das erste Produkt von ARCoptix war ein Unikat: ein sogenannter Radialer Polarisationsumwandler. Dessen Kernstück ist ein Modul aus Flüssigkristallen, mit dem sich Laserlicht ringförmig fokussieren lässt. Das nötige Know-how für dessen Entwicklung hatten sich die vier Physiker und Ingenieure von ARCoptix bereits während ihrer Forschungstätigkeit an verschiedenen Schweizer Hochschulen angeeignet. «Noch heute ist es weltweit das einzige seiner Art auf dem Markt», sagt Gerben Boer. Kaum war der Lichtumwandler 2005 auf der Website zum Kauf angeboten, trudelten denn auch ganz ohne Marketingmassnahmen die ersten Bestellungen ein – meist von ausländischen Universitäten und Forschungsanstalten. Rasch brachte die Neuenburger Firma zudem weitere Flüssigkristall-Produkte auf den Markt. «Diese waren einfach und günstig herzustellen», sagt CEO Boer. «Sie ermöglichten uns einen komfortablen Start ins Business.»
Den Erlös aus den Flüssigkristall-Geräten investierten die Jungs von ARCoptix indes samt und sonders in ihr eigentliches Steckenpferd: die Entwicklung von Spektrometern. Diese werden bereits seit Jahrzehnten zur Analyse von Substanzen genutzt, etwa in der Lebensmittelindustrie, der Medizin oder zum detektieren von Umwelt-Schadstoffen. Doch lange Zeit waren die Geräte gross und sperrig. «Die Herausforderung besteht darin, sie viel kompakter, aber dennoch präzise und widerstandsfähig gegenüber Vibrationen und Temperaturänderungen zu bauen», erklärt der Physiker Boer.

Brotloses Prestigeobjekt

Also machten sich die Tüftler von ARCoptix an die Entwicklung eines komplett neuartigen Instruments, das bis dahin noch niemand zu konstruieren geschafft hatte: ein sogenanntes MEMS-Spektrometer. MEMS steht für Mikro-Elektro-Mechanisches System. Die Idee war, ein miniaturisiertes, nur wenige Millimeter grosses Spektrometer zu bauen, welches in tragbare Analysegeräte eingebaut werden könnte. Es sollte zudem ein Fourierspektrometer sein, eine spezielle Variante, die schneller und genauer misst als herkömmliche Geräte. Dank viel Herzblut und «dem Genie» Ingenieur Steeve Bühler, wie CEO Boer sagt – gelang es. ARCoptix hatte das erste MEMS-Fourierspektrometer der Welt entwickelt. «Von überall her kamen Spektrometer-Hersteller nach Neuenburg, um sich das anzusehen», erzählt Boer. Doch es bleib beim Anschauen. Soviel Prestige das MEMS-Gerät den Entwicklern auch einbrachte, der erhoffte finanzielle Erfolg blieb aus. Lediglich 30 bis 40 Geräte wurden abgesetzt. «Es gab dafür einfach zu wenige praktische Anwendungen», sagt Boer. Im Jahr 2010 stand die Firma auf wackligen Beinen. «150 000 Franken Verlust schrieben wir in diesem einen Jahr», erinnert sich der CEO. Denn um die mittlerweile auf acht Mitarbeiter angewachsene Firma zu ernähren, brachten allein die Flüssigkristallprodukte nicht genug ein.

Besonders während dieser kritischen Zeit sei die Unterstützung von der Stiftung STI unentbehrlich gewesen, sagt der Mann, der bei ARCoptix für das Finanzielle zuständig ist, Toralf Scharf. «Mehr sogar als der Rückhalt durch das zinslose Darlehen von 300 000 Franken half uns der von der Stiftung gestellte Business-Coach», sagt Scharf. Dieser war selbst ein Entrepreneur, der schon mehrmals Firmen gegründet und verkauft hatte, und verstand die Eigenart von ARCoptix mit den zwei grundverschiedenen Produktgruppen Flüssigkristall-Instrumente und Spektrometer. «Eine solches Mischkonzept in verschiedenen Sparten hätten viele andere Coaches nicht akzeptiert», sagt Toralf Scharf. Der STI-Coach aber sah es als Stärke. Unter seiner Anleitung wurde die Firma wieder verkleinert, gleichzeitig aber die Entwicklung von weiteren Instrumenten mit voller Kraft voran getrieben.

Und diesmal achtete ARCoptix besser darauf, sich an den Kundenbedürfnissen zu orientieren. Noch im Jahr 2010 brachten die Neuenburger ihr heutiges Flaggschiff-Produkt auf den Markt: das kleinste Fourier-Infrarotspektrometer der Welt. Im Vergleich mit konventionellen Infrarotspektrometern lassen sich damit kleinere Mengen von Substanzen analysieren, und das in höherer Auflösung. Wichtig sei zudem der modulare Aufbau der Geräte, sagt CEO Gerben Boer. Dadurch können die Kunden die Spektrometer spezifisch an ihre Messprobleme angepasst einsetzen. Das ist es auch, was das Instrument von ARCoptix auszeichnet: «Wenn jemand einen modularen Spektrometer-Aufbau will, hat er nicht die Wahl – wir bieten als einzige eine Lösung an», sagt Boer. Mit ihrem Coup sicherten sich die Neuenburger auch gleich den mit 500 000 Franken dotierten Innovationspreis der Neuenburger Kantonalbank.

Inzwischen, zehn Jahre nach der Gründung der Firma, schauen die Mannen von ARCoptix gelassen in die Zukunft. Sie haben mehrere High-End-Spektrometer im Angebot und steigern ihren Gewinn jährlich um 15 Prozent. Davon fliesst nach wie vor ein Drittel in die Weiterentwicklung ihrer Spektrometer oder in die Entwicklung neuer Geräte. Ein Übernahme-Angebot eines grösseren Konkurrenten haben sie jüngst ausgeschlagen. Dafür fühlen sich die Tüftler in ihrem Reich zu wohl.

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